"Die gerade Linie ist die einzige unschöpferische Linie. Die einzige Linie, die dem Menschen als Ebenbild Gottes nicht entspricht." (Hundertwasser, Verschimmelungsmanifest)
Seit den frühen 1950er Jahren setzte sich Hundertwasser mit der Architektur auseinander und trat für eine natur- und menschengerechtere Architektur ein.
Im Verschimmelungsmanifest gegen den Rationalismus in der Architektur (1958) formulierte er die Ablehnung des Rationalismus, der geraden Linie und der funktionellen Architektur. Er postuliert das "Fenster-Recht" als Recht jedes Einzelnen, sich aus seinem Fenster zu beugen und – so weit seine Arme reichen – das Mauerwerk zu bemalen. (1)
„Ein Bewohner muss das Recht haben, sich aus seinem Fenster zu lehnen und außen an der Außenwand alles umzugestalten, wie es ihm entspricht so weit sein Arm reicht damit man von weitem, von der Straße sehen kann: dort wohnt ein Mensch.“
Bei seiner „Nacktrede für das Anrecht auf die dritte Haut“ (1967) in München geißelte Hundertwasser die Versklavung des Menschen durch das sterile Rastersystem der Architektur und durch die Serienfabrikation einer mechanisierten Industrie. (2) In seinem Architektur-Boykott-Manifest bezieht er sich auf die in der Tradition des österreichischen Architekten Adolf Loos (1870-1933) entstandene rationale, sterile Architektur, die für ihn, in ihrer tödlichen Eintönigkeit, verantwortlich für das Elend der Menschen ist. (3)
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Das Looshaus (1912) am Michaelerplatz, Foto: Thomas Ledl |
Er ruft zum Boykott dieser Architektur auf, fordert schöpferische Baufreiheit und das Recht zur individuellen Bauveränderung.(4) In den 1970er Jahren ließ Hundertwasser erste Architektur-Modelle anfertigen mit denen er seine Ideen der Dachbewaldung, der Baummieter und des Fensterrechts veranschaulichte.
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Hundertwasser, Hoch-Wiesen-Haus, Modell 1:20, errichtet 1983, Westpark, München. Foto: Rufus46 |
Seit den frühen 1980er Jahren betätigte sich Hundertwasser als „Architekturdoktor“, wie er sich selbst bezeichnete. Mit dem Bau der Wohnhausanlage der Gemeinde Wien (Architekten Krawina und Pelikan) in der Löwengasse begann seine eigentliche Arbeit im Bereich der Architektur. Das Haus wurde sofort zum Touristenmagneten.
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Hundertwasserhaus (1986) in Wien. Foto: Thomas Ledl |
Auch Hundertwassers zahlreiche Folgeprojekte in Europa und Übersee (in Zusammenarbeit mit den Architekten Springmann und Pelikan) wurden vom breiten Publikum in der Regel sehr „beifällig“ aufgenommen, von der Architektenschaft und der Fachkritik aber zumeist vehement abgelehnt. (5)
Einzelnachweise
1. Siehe: Wieland Schmied: Hundertwasser 1928–2000. Catalogue raisonné. Köln: Taschen 2000/2002, Band 2, S. 1167.
2. ebenda S. 1177
3. HUNDERTWASSER Die Kunst des grünen Weges. The Art of the Green Path, S. 128f + 206f, Herausgeber Andreas Hirsch für das KUNST HAUS WIEN, Prestel Verlag; Bilingual, 2011
4. Siehe: Wieland Schmied: Hundertwasser 1928–2000. Catalogue raisonné. Köln: Taschen 2000/2002, Band 2, S. 1178
5. Zu dieser grundsätzlichen Tendenz vgl. Robert Schediwy: Hundertwassers Häuser. Edition Tusch, Wien 1999.